Zukunft der Piratenpartei


Voller Einsatz für die Zukunft der Piratenpartei

Wir haben – aus Gründen – die Wahl verloren. Es ist zum Heulen.

Die Gesellschaft braucht uns Piraten mehr denn je.

Wir haben verloren, weil wir ohne Strategie, miserabel geführt, unzureichend strukturiert und ohne klare Vision in den Wahlkampf gingen. Dabei schien am Anfang alles so leicht: Viele Bürger wünschten sich so sehr, dass das versprochene Update durch uns verfügbar gewesen wäre. Aber wir haben diesen Vertrauensvorschuss über ein ganzes Jahr nicht gewürdigt und damit bei den meisten verspielt.

Keine Strategie, falscher Stolz und Aussitzen á la Kohl

Wir sind ohne erkennbare Strategie in diesen Wahlkampf gegangen. Und dies, obwohl unglaublich viel Kreativität und Arbeit von Piraten geleistet wurde und als Ergebnis eine außergewöhnlich erfolgsversprechende Wahlkampfstrategie vorlag. Diese Arbeit und ihre Ergebnisse wurden rundweg ignoriert.

  • Das ‚System Nerz‘ hat pseudo-beschäftigungs-Veranstaltungen durchgeführt, ohne je auf den Input hören zu wollen.
  • Es wurden intern Gestalter beauftragt, bevor eine Strategie existierte. Ein blutiger Amateurfehler? Die so entstandene Verwirrung und der Streit als Ergebnis scheinen manchem wie gewollt.
  • Im weiteren wurden zentrale Posten, vor allem im elementar wichtigen Bereich Kommunikation, zu dünn und mit nicht ausreichend kompetenten Menschen besetzt, die überfordert und überarbeitet taten, was sie konnten. Ein Zufall?
  • Probleme und wichtige Weichenstellungen wurden bräsig ausgesessen, verharmlost und ignorant abgetan. Systematisch?

Sehr viele Piraten, die ernsthaft an einer Strategie gearbeitet hatten, wurden verprellt, enttäuscht, gemobbed und zurückgewiesen. Selbst die Spitzenkandidaten hatten keine Chance, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Die perfide Mischung aus gespielter Kooperations­bereitschaft, Hinhaltetaktik, Aussitzen und Verhinderung im letzten Moment könnte aus guten Gründen in die Parteigeschichte als Schlömerismus/Nerzismus eingehen. Deren Motivlage war für genaue Betrachter nicht mehr nachzuvollziehen.

ABER: Wir verfügen über erstklassige strategische Denker und erfahrene Profis in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, PR und Kommunikation im ganzen Land. Früher im Bund und auch heute noch in manchem Landesverband ist das sichtbar. Für die Europawahl und die anstehenden Landtagswahlen können wir aus dem Vollen schöpfen – wenn wir die richtigen Leute in den Vorstand wählen und diese Vorstände gut strukturieren und Kompetenzen klug einsetzen.

Ver-Führung der Macht, Kleinkriege oder wem gehört die Partei

Die Führung in jedem System beträgt immer 100%. Wir haben uns hoffnungsvoll selbst belogen, indem wir glaubten, dass wir bereits jenseits unterstützender Strukturen handlungsfähig seien. So konnte die hierarchische, gesetzlich vorgeschriebene Parteistruktur gegen die Interessen vieler – und vor allem gegen jede Vernunft – die Macht an sich reißen. Statt zu ermöglichen wurde verhindert. Statt zu inspirieren und ein leidenschaftliches Beispiel zu leben, wurde beruhigt und demoralisiert. Die dramatische Demotivation der natürlichen Zellen- und Netzstrukturen der Partei waren die Folge. Viele Kompetenzträger zogen sich zurück. Im Untergrund der Partei kämpften und kämpfen sogenannte ‚Darknets‘ um Deutungs- und Machthochheit. Sie füllen das Führungsvakuum durch extrem intransparente, ja geheimdienstlich anmutende Aktionen und steuern vielfach Amtsinhaber. Dabei inkaufnehmend, aus Egomanie die Gesamtpartei dauerhaft zu schädigen.

Wenn wir diese internen Machtkämpfe nicht sofort beenden, ist das Projekt Piratenpartei gescheitert.

Es ist an der Zeit, unserem eigenen Anspruch der Nachvollziehbarkeit politischer Prozesse gerecht zu werden. Ohne Doppelmoral und ohne doppelten Boden. Ohne Nerz, Schlömer und geheime Twitternetzwerke. Jede Partei hat Flügel. Das ist normal – vor allem für uns als die ‚Mitmachpartei‘! Aber diese Spektren und Flügel müssen offen und sichtbar sein! Alle, die jetzt über eine Position im Vorstand nachdenken, sollte m.E. diese Haltung verbinden: „Wir bieten verantwortungsvolle Führung als Dienstleistung an. Wir werden uns demokratisch kontrollieren und supervidieren lassen. Wir sind nicht beratungsresistent, sondern werden alle erreichbaren Kompetenzen nutzen. Wir wollen, dass wir alle stolz aufeinander sein können.“

Wir brauchen keine Struktur?  Wir sterben ohne Struktur!

Die Piratenpartei hatte zu Beginn eine organisch gewachsene und schlagkräftige Struktur. Das piratige Mandat galt. Action wurde performt. Wir waren wenige. Da ging das. Doch unser Wachstum ist noch längst nicht abgeschlossen. Improvisierte Selbst-Führung von inspirierten Machern ist leider nicht beliebig skalierbar.

Wir müssen daher Strukturen aufbauen, die unsere Netz- und Aktivitätszellen, unsere AGs und Kreativen stärken, unterstützen und auch schützen. Wir müssen Ressourcen bereitstellen und Strukturen sichtbar machen, so dass jeder, der etwas bewegen will, schnell Unterstützung findet. Gerade Newbies brauchen einen einfachen Zugang zur Action. Die schon sprichwörtlich gewordene ‚Steht-im-WIKI-Intransparenz‘ muss einer Sichtbarkeit vorhandener Kompetenzen und Anlaufpunkte weichen.

Dazu gehört auch ein aktiver Umgang mit dem Thema Finanzen. Wir können es uns nicht leisten, weiter jährlich ca. 1 Mio (!) aus der Parteienfinanzierung wegzuwerfen. Wir können den unterstützungsbereiten Sympathisanten der Bevölkerung die Möglichkeit geben, Projekte und Aktionen mit Kleinstspenden zu unterstützen. Dies wird die Piratenpartei inner- und außerparlamentarisch aktivieren und öffentlich sichtbar werden lassen.

Keine Vision, keine Motivation, keine Aktion, keine Piraten, keiner geht hin …

Am Anfang standen Kernthemen und ein Gefühl. Dass man Freiheitseinschränkungen entgegenstehen müsse. Wir machten daraus ein Programm. Mit Sehnsucht nach – und Leidenschaft für – eine freie Bürgergesellschaft. Die Führung der Partei hingegen hat im letzten Jahr jeden Funken Inspiration vermissen lassen. Von „Ich habe keine Lust mehr“ über „Wir streben 6% an“ (Hä?)  bis zu „Eltern sollten die Passwörter ihrer Kinder haben“ und Schlimmerem türmen sich die unerträglichen Peinlichkeiten. So denkt, fühlt, spricht kein Pirat, sondern ein Hobbyvorsitzender, der selbstgefällig den Karren an die Wand fährt und entweder nicht merkt, was er tut, oder …

Visionen werden geschrieben von Visionären, die erfassen können, was die verbindende Gefühlsgestalt, die Leidenschaft, das Wollen der Bewegung ist. Darin kann sich die Bewegung dann selbst erkennen und der Vision nachstreben. Aber es ist ihre Vision, egal wer sie aufgeschrieben hat. Unsere Vision ist so gewaltig und umfassend, dass wir uns manchmal etwas erschrocken auf unsere Kernthemen zurückziehen. Doch Überwachungsfreiheit und Open Data sind Symptome einer globalen Machtstruktur, die zum Nachteil der Bürger handelt. Die Gesellschaften hinken diesem Strukturen um mindestens ein Jahrzehnt hinterher. Wie damals die Gewerkschaften muss in den nächsten Jahren die Netzbewegung ein angemessenes Gleichgewicht wieder herstellen, sonst bedeutet die Übermacht der Global Players das Ende der freien Bürgergesellschaften. Nur die Piratenpartei hat das Zeug zum Agendasetting für diese riesige Aufgabe. Wir können der Gesellschaft dienen, sie unterstützen und das globale Bewusstsein fördern. Das ist eine fette Vision. Das sind wir. Und dazu müssen wir uns organisieren, uns schlagkräftig aufstellen für dieses verrückte Politikgeschäft, alle Kompetenzen an Bord heben statt verhindern und … niemals aufgeben.

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12 Antworten zu “Zukunft der Piratenpartei

  1. Pingback: Zukunft der Piratenpartei | Wahlkreis300

  2. Den Teil zur Ignoranz und Führungslosigkeit etc… volle Zustimmung, wenn Du das auf die Parlamentarier als Gesamtheit beziehst. Einzelne mögen gut sein, die Masse ist breiiges Vollversagertum. 42 Leute die nach außen nicht stattfanden.

    Ich war mal total gern als Freibeuter unterwegs, dann kurz als Mitglied, bis ich gemerkt habe, wie wenig Bereitschaft, Akzeptanz, Bildung, Bewusstsein und Aufrichtigkeit es da gibt. Die hatten alles – und haben es so megakrass verrotzt… Aber anders als früher, habe ich jetzt keine Lust mehr, Blogbeiträge mit Ideen zu veröffentlichen.

    Piraten machen sich gegenseitig so sehr mit Gossip und Theorien über andere Personen fertig… da bleibt für ernsthafte Anregungen wenig Platz. Professionelle Hilfe könnt ihr nicht wertschätzen – bzw werdet ihr nicht kriegen, weil Professionelle von irgendwas leben müssen – oder auf Misstrauen stoßen. Schlimmer ist aber, dass es gar keinen Weg gibt/gab, wie Anregungen gebündelt und umgesetzt werden könnten.

    Kurzum: ihr seid im Arsch und könnt nichts dagegen tun. Ein Exempel über die Macht eines kollektiven Irrtums.

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  3. Super geschrieben!
    Ich kann mich nur (immer und immer wieder) wiederholen…
    Ich finde es nicht schlecht, dass der Einzug in den Bundestag (noch) nicht geschafft wurde. Vielleicht trennt sich die Spreu vom Weizen und die ganzen (oben so nett beschriebenen) Kandidaten verlassen einfach die Partei, weil ihre Hoffnung, schnell zu nem Posten zu kommen, zerstört wurde.

    Auch bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Piraten sehr wohl ein Gesicht brauchen! Die Idee, ohne auszukommen, war vielleicht gut gemeint…es funktioniert aber nicht.
    Ihr braucht jemand, der rhetorisch SEHR gut ist und an dem all die Bosheiten der Welt abprallen. Intelligent sollte er natürlich auch noch sein. 😉 Und er darf auch ruhig eine „sie“ sein. 🙂
    Auf jeden Fall brauchts etwas Charisma… für euch selbst, aber auch nach außen.
    Marina war damals nicht schlecht, ich habe sie bewundert, wurde durch sie aufmerksamer Beobachter. Sie hatte ein ruhiges, trotzdem bestimmendes Wesen, musste nicht pöbeln oder vulgäre Ausdrücke benutzen um sich Gehör zu verschaffen…stand einfach über den Dingen.

    Ich bin kein Pirat…aber immerhin Wähler der Partei. Hatte aber irgendwie als dieser nie wirklich das Gefühl von euch erhört zu werden (und ich habe viele Anläufe unternommen). Zwischendurch war ich so gefrustet, dass ich sogar überlegte wen anderes zu wählen. Letztendlich habe ich es nicht gemacht, weil ich hoffe, dass ihr daraus lernt und was draus macht!

    Sortiert euch, findet eine Galionsfigur…euren Käpt’n und holt das Schiff aus dem Riff!!!

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  4. es ging abwärts, als die piraten begannen, ein auffangbecken für linksgrüne gutmenschennazis zu werden, die in ihren alten parteien kein pöstchen abbekommen hatten. diese gutmenschennazis begannen unverzüglich einen kreuzzug gegen die vernunft und diffamieren jeden als „rechtsradikal“, der es wagt, die dogmen der antideutschen rassisten zu leugnen.
    p.s.: wer visionen hat, sollte zu arzt gehen (helmut schmidt)

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  5. es gibt in deutschland 20% stimmen für linksparteien. die piraten möchten lieber um diese 20% konkurrieren als um die 80% stimmen für bürgerliche parteien. Frage: warum soll ich eine partei wählen, die aus gescheiterten exgrünen und exlinken besteht, die in ihren alten parteien keine pöstchen abbekommen haben? warum soll ich eine partei wählen, die eine parteieigenen sa (piratifanten) betreibt und für die alles, was rechts von den grünen steht, rechtsradikal ist? es gibt einfach keinen grund, eine neue nsdap zu wählen.

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  6. die Analyse ist realitätsfern, da sie mit keinem Wort die Entpolitisierung erfasst.
    Keine der geschilderten Vorschläge greifen in einer entpolitisierten Gesellschaft und in einer Kampagne seitens Medien und Lobbies.
    Selbst mit einer ehrlichen Kampagne nach Grünenmuster verliert man und nach einem eingebildeten Sieg nach Linkenmuster bleibt auch nur der Geschmack des Populismus – eben die Forderung Geld für Alle und Alles.
    In der lemonde diplomatique 09/2013 wird dagegen ein Ansatz – Rückeroberung der Politik ausgeführt.
    Als Selbstkritik empfehle ich die Erkenntnis im Artikel: die einzige Realität des Internets ist das unendliche Zirkulieren von Nachrichten, die jeder weiterleitet, aber niemand liest.

    mit liebem Gruß
    Herbert

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